Update Darmkrebsvorsorge: Darmspiegelung und iFOBT zur Früherkennung

Von Dr. Peggy Heidemann*

Am 13. Mai 2018 ist in Berlin erneut der Felix-Burda-Award für herausragende Projekte in der Darmkrebsprävention verliehen worden. Ausgezeichnet wurde dieses Jahr die AOK Nordost mit der Ärztekammer M-V für eine Kampagne, besonders Männer für die Vorsorge zu motivieren.

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 65.000 Menschen an Darmkrebs, die Hälfte der Betroffenen stirbt daran [1]. Etwa zehn Prozent der Krebserkrankungen treten vor dem 50. Lebensjahr auf. Aufgrund des langsamen Tumorwachstums und der Entstehung von Darmkrebs aus Adenomen ist die Erkrankung einer Vorsorge gut zugänglich. Experten des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) Heidelberg haben errechnet, dass allein durch die Einführung der Vorsorgekoloskopie in jedem Jahr etwa 18.000 Neuerkrankungen von Darmkrebs verhindert werden. Sie glauben, dass durch ein gut organisiertes Programm mit Einladungen, Erinnerung und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit pro Jahr weitere 18.000 Neuerkrankungen verhindert werden könnten [2].

Seit einem Jahr steht der immunologische Stuhlbluttest (iFOBT) den Versicherten als gesetzliche Leistung der Darmkrebsvorsorge zur Verfügung. Der Test weist menschliches Blut auf dem Boden einer Antigen-Antikörper-Reaktion nach. Die Nachweisgrenze von Hämoglobin (Hb) ist wesentlich geringer als für den guajak-basierten gFOBT, welcher vorher verwendet wurde (40-300 vs. > 300 µg Hb/g Stuhl) [3]. Bei diesem Test liegt die Sensitivität für Karzinome in einer Größenordnung von 60 bis 85 Prozent und für fortgeschrittene Adenome bei 20 bis 60 Prozent. Die Detektionsrate fortgeschrittener Kolorektaler Karzinome (KRK) liegt einer Metaanalyse zufolge bei der Verwendung des iFOBT doppelt so hoch wie im Vergleich zum gFOBT (2,23 Prozent vs. 1,24 Prozent) [4].

Es wird postuliert, dass im Gegensatz zum gFOBT in der Regel für den iFOBT eine einzelne Stuhlprobe genügt. Etwa korreliert die Höhe der Konzentration von fäkalem Hb mit dem Risiko für KRK [5]. Eine quantitative Analyse des fäkalen Hb soll daher einen zusätzlichen Nutzen bringen, und nur diese Tests werden in Deutschland von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet.

Andere Stuhltests, z.B. enzymatische Tests wie von M2PK (Nachweis von Tumorzellen überexprimierter Pyruvatkinase) oder Mutationsanalysen im Stuhl, werden aktuell noch nicht von den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen und von der GKV auch nicht erstattet. Dies trifft auch auf blutbasierte Bestimmungsverfahren wie den Septin-9-Test zu (Nachweis tumorspezifischer DNA).

Das Standardverfahren zum Screening auf KRK stellt die komplette Koloskopie dar. Diese wird in der S3-Leitlinie KRK empfohlen [6]. Sie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifizität zur Detektion von Adenomen und Karzinomen [1,7]. In Deutschland wird die Vorsorgekoloskopie seit Oktober 2002 allen gesetzlich Versicherten ab dem Alter von 55 Jahren als primäre KRK-Screening-Option angeboten. Für Patienten mit erhöhtem KRK-Risiko (familiäre Belastung, FAP, HNPCC, MAP, CED) gelten gesonderte Empfehlungen [6,7].

Allein durch diese Maßnahme konnte die Inzidenz des KRK deutlich reduziert werden, nach aktuellen Daten im Zeitraum 2003 bis 2012 in der Altersgruppe ab 55 Jahren um 17 bis 26 Prozent [8,9]. Auch ein günstiger Effekt der Vorsorgekoloskopie auf die Mortalität des KRK konnte in Studien belegt werden [10,11]. Dies, obwohl die Teilnahmerate an den Vorsorgekoloskopien leider weiter deutlich unter 30 Prozent liegt.

Die Vorsorgekoloskopie ermöglicht es, auch nicht blutende Adenome zu detektieren. Mittels des optischen Verfahrens der Darmspiegelung können mehr als 90 Prozent der Adenome gesehen und entfernt werden, meist in derselben Untersuchung. Damit kann die Karzinomentstehung verhindert werden.

Für den Stuhlbluttest ist zu beachten, dass ausschließlich blutende Läsionen detektiert werden. Anders formuliert: Nur Blutungen aus Adenomen führen zur Detektion dieser.
Entsprechend liegt die Sensitivität immunologischer Stuhlbluttests für fortgeschrittene Adenome bei 21,8 bis 46,3 Prozent [12]. Hier bedarf es offensichtlich noch weiterer Evaluation, um eine statistische Aussage zur Verwendung der Tests an großen Patientengruppen treffen zu können. Weiterhin detektieren Stuhlbluttests auch Blut im Stuhl, welches aus dem Nasen-Rachen-Raum stammt oder aus dem oberen Gastrointestinaltrakt ins Kolon gelangen kann.

Zwischenbilanz nach einem Jahr iFOBT zur Darmkrebsvorsorge

Häufig fragen Kollegen, wie mit 1,5- bis 3-fach erhöhten Werten des iFOBT umzugehen sei. Selbst diese gering erhöhten Werte des quantitativen iFOBT stellen den Nachweis von Blut im Stuhl dar und sind daher die Indikation für eine vollständige Darmspiegelung. Ist der Koloskopiebefund dann regelrecht, so sollte der Patient eine Kontrollkoloskopie entsprechend der Empfehlungen des Befundes durchführen. Damit erübrigen sich weitere Stuhlbluttests für die Früherkennung. (DGIM Empfehlungen; Initiative "choosing wisely" – klug entscheiden in der Gastroenterologie).

Kontrollintervalle nach einer Darmspiegelung

Fällt eine erste Vorsorgekoloskopie unauffällig aus, so wird eine Wiederholung nach zehn Jahren bei Personen ohne und nach fünf Jahren bei Personen mit einem Verwandten ersten Grades empfohlen, der an KRK erkrankt ist. Beim Nachweis von Polypen oder Adenomen sowie auch bei anamnestischen Besonderheiten und seltenen Erkrankungen gelten kürzere Intervalle für eine Kontrollkoloskopie. Üblicherweise folgt hierzu eine Empfehlung im endoskopischen Befund entsprechend der S3-Leitlinie zum KRK der Fachgesellschaft. Dieser bezieht sich selbstverständlich, dies sei betont, auf den Zeitpunkt der Darmkrebsvorsorge bei beschwerdefreiem Patienten. Für Risikogruppen wie Personen mit high-risk-Adenomen, CED, HNPCC, FAP, MAP gelten ebenfalls gesonderte Empfehlungen.

Familiäres Darmkrebsrisiko

Für Verwandte ersten Grades von Darmkrebspatienten wird ein erhöhtes Darmkrebsrisiko postuliert. Daher soll eine erneute Darmspiegelung fünf Jahre nach einer unauffälligen Vorsorgekoloskopie erfolgen. Eine Evidenz für diese Empfehlung konnte nun erstmals in einer großen populationsbasierten Studie aus Utah/USA nachgewiesen werden [13]. Die Studie bestätigte auch nochmals den Nutzen der Vorsorgekoloskopie. Ausgewertet wurden Daten von 304.618 Personen mit erstmaliger Koloskopie zwischen 2001 und 2011.

Besondere Risikogruppen

Eine Studie [14] aus New Hampshire ermittelte das statistische Risiko für High-Risk-Adenome (HRA) und große (mehr als ein Zentimeter) serratierte Adenome in der Folgekoloskopie bei Nachweis eines Polypenbefundes in der Indexkoloskopie.
Ergebnis: HRA in der Indexkoloskopie sind mit einem erhöhten Risiko für HRA in der Folgekoloskopie verbunden (Risikoverhältnis 3,86). Die Kombination aus HRA und zusätzlichen serratiertem Polyp ließ die Wahrscheinlichkeit, in der Folgeuntersuchung neue HRA zu entwickeln, weiter steigen – nämlich um den Faktor 16 (auch bei erfolgter vollständiger Entfernung der vorherigen HRA und serratierten Polypen).
Was bedeutet die Studie für die aktuellen Empfehlungen der deutschen S3-Leitlinie zur Polypen-Nachsorge? Sie besagt, dass eine Kontrollkoloskopie nach Ektomie von drei bis vier Polypen oder einem Adenom von mehr als einem Zentimeter Größe nach drei Jahren erfolgen sollte. Auf Basis der o.g. Studie plädieren einige Gastroenterologen [15] für eine weitere Präzisierung der risikoadaptierten Nachsorge.

Bedeutung der Früherkennung

Weil Darmkrebs eine häufige Erkrankung ist, die insgesamt im Laufe des Lebens etwa fünf Prozent der Bevölkerung betrifft, gilt es, diese früh zu erkennen bzw. zu verhindern. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien starb bisher trotz Therapie etwa die Hälfte der Darmkrebspatienten. Bei Wahrnehmung der Vorsorgeuntersuchungen könnte ein größerer Teil dieser Krebsfälle und Krebstodesfälle verhindert werden. Hausärzte, aber auch Fachärzte wie z.B. Gynäkologen und Urologen gelten als Weichensteller zur Vorsorge.
Mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) soll ein organisiertes Screening mit Einladungsverfahren zur Vorsorge für Darmkrebs umgesetzt werden. Mit dem Versenden eines Schreibens zur Anspruchsberechtigung für den Vorsorgetest, eines Stuhlbluttests sowie Freiumschlags konnte in den Niederlanden die Teilnahmerate im ersten Jahr nach der Einführung auf 70 Prozent erhöht werden, im zweiten Jahr noch mehr [2].
Ein anderer Ansatzpunkt ergibt sich aus der Ansprache von Patienten und dem Hinweis für deren Angehörige zur Information über ein erhöhtes Risiko für leibliche Verwandte von Darmkrebspatienten. Dieses Prozedere zur Beratung der genetisch Verwandten zur Vorsorge wurde z.B. in der FAMKOL-Studie [16] evaluiert.
Das genannte erhöhte Risiko für ein KRK bei leiblichen Angehörigen wurde u.a. in der DACHS-Studie des DKFZ belegt [17]. Für die Mehrzahl der Erkrankten sei dieses genetische Risiko bei familiärer Häufung von Darmkrebs aber nicht die Ursache. Hinzu kämen auch nicht-genetische Faktoren wie Rauchen oder körperlich inaktive Lebensweise. Andere Studien zeigten eine Zunahme der Rate kolorektaler Adenome um sieben Prozent bei einer Gewichtszunahme um fünf Kilogramm [18].
Deshalb sind nicht nur o.g. spezifische Maßnahmen der Vorsorge, sondern auch die allgemeine Gesundheitsberatung zur gesunden Lebensweise schon in frühen Jahren und wiederholt durch Schulen, Sportvereine, Ärzte, Presse, betriebliches Gesundheitsmanagement u.a. wichtig. So können Risikofaktoren und Erkrankungen reduziert werden. Darmkrebsvorsorge ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Wir als Ärzte sind aber aufgefordert, gemeinsam mit unseren Teams die Patienten zu informieren und können somit einen wichtigen Beitrag zur Krankheitsvorsorge leisten.

Kurzfassung

Seit einem Jahr ist der iFOBT als gesetzliche Leistung für die Darmkrebsvorsorge verfügbar. Die Nachweisbarkeit für fortgeschrittene Adenome und Kolorektale Karzinome ist deutlich höher als beim bisherigen gFOBT. Eine einzelne Stuhlprobe genügt, und der Test wird ab dem Alter von 50 Jahren jährlich und ab 55 Jahren alle zwei Jahre als Vorsorgeleistung durch die Krankenkassen erstattet.
"Goldstandard" für die Darmkrebsvorsorge ist weiterhin die Darmspiegelung, da mit diesem optischen Verfahren mehr als 90 Prozent der Adenome gesehen und meist während derselben ambulant durchgeführten Untersuchung entfernt werden können. Auch nicht blutende Läsionen können im Gegensatz zum iFOBT mit diesem Verfahren detektiert werden.
Die Vorsorge mittels Darmspiegelung ist für alle Versicherten ab dem Alter von 55 Jahren und für Versicherte der AOK Nordost bereits ab dem Alter von 40 Jahren (Männer) bzw. 45 Jahren (Frauen) möglich.
Die empfohlenen Wiederholungsintervalle nach einer Darmspiegelung werden in diesem Artikel beschrieben. Halten die Patienten diese Empfehlungen ein, so erübrigen sich weitere iFOBT zur Früherkennung.

Literatur:

[1] Riemann JF. Cancer Prevention: nothing counts but evidence? Dtsch Med Wochenschr 2016;141:732
[2] Maar C, Löffelmann G. Darmkrebs-Screening mit hohen Hürden. Ärztezeitung 2018;24-43D:16
[3] Song L, Li Y. Current noninvasive tests for colorectal cancer screening: An overview of colorectal cancer screening tests. World J Gastroint Oncol 2016;8:793-800
[4] van Rossum LG, van Rijn AF et al. Colorectal cancer screening comparing no screening, immunochemical and guaiac fecal occult blood tests: a cost-effectiveness analysis. Internat J Cancer 2011;128:1908-1917
[5] Lee JK, Liles EG, Bent S et al. Accuracy of fecal immunochemical tests for colorectal cancer: systematic review and meta-analysis. Ann Int Med 2014;160:171
[6] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Kurzversion 2.0, 2017, AWMF Registrierungsnummer: 021/007OL
[7] Andus T. Klinische Gastroenterologie: Das Buch für Fort- und Weiterbildung plus DVD mit über 1400 Befunden; Thieme; 2012
[8] Brenner H, Altenhofen L, Katalinic A et al. Sojourn time of preclinical colorectal cancer by sex and age: estimates from the German national screening colonoscopy database. Americ J Epidemiol 2011;174:1140-1146
[9] Brenner H, Schrotz-King P, Holleczek B. Rückgang der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs in Deutschland. Dtsch Arztbl Int 2016;113:101-106
[10] Zauber AG, Winawer SJ, O'Brien MJ et al. Colonoscopic polypectomy and long term prevention of colorectal cancer deaths. N Engl J Med 2012;366:687-696
[11] Nishihara R, Wu K, Lochhead P et al. Long term colorectal cancer incidence and mortality after lower endoscopy. N Engl J Med 2013;369:1095-1105
[12] Gies A, Cuk K, Schrotz-King P, Brenner H. Direct comparison of diagnostic performance of 9 quantitative fecal immunochemical tests for colorectal cancer screening. Gastroenterology 2018 Jan;154(1):93-104
[13] Samadder NJ et al. Long-term colorectal cancer incidence after negative colonoscopy in the state of Utah: the effect of family history. Am J Gastroenterol 2017;112:1439-1447
[14] Anderson JC, Butterly LF, Robinson CM, Weiss JE, Amos C, Srivastava A. Risk of metachronous high-risk adenomas and large serrated polyps in individuals with serrated polyps on index colonoscopy: data from the New Hamshire Colonoscopy Registry. Gastroenterology 2018;154:117-127
[15] Schmitz F. High risk adenoma plus serratierte Polypen in der Koloskopie. Gastroenterologe 2018;13:59-62
[16] Bauer A, Hollerbach S, Reinshagen M, Seufferlein T, Landenberger M, Riemann JF. Erstgradige Verwandte von Darmkrebs-Patienten: Wie viele können wir schützen? Zeitschr f Gastroenterologie 2014;52(03):263
[17] Weigl K, Jansen L, Chang-Claude J, Knebel P, Hoffmeister M, Brenner H. Family history and the risk of colorectal cancer: the importance of patients' history of colonoscopy. Int J Cancer 2016;139(19):2213-2220
[18] Schlesinger S et al. Adult weight gain and colorectal adenomas – a systematic review and meta-analysis. Ann Oncol 2017;28(6):1217-1229

*Dr. med. Peggy Heidemann ist niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin in Schwerin und Vorsitzende der Regionalgruppe M-V des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands.