von Ernst Jolitz
Das Sozialgericht Frankfurt hat klargestellt, daß ein Gericht dem als Zeuge benannten Arzt nicht im einzelnen darzulegen hat, inwieweit der Patient ihn von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat. Es sei vielmehr Sache des Gerichts, von Amts wegen zu prüfen, in welchem Umfang der Arzt von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Es genüge, wenn das Gericht dem Arzt mitteilt, daß eine entsprechende Erklärung vorliegt. Ist das der Fall, dann ist der Arzt nicht berechtigt, das Zeugnis mit dem Argument zu verweigern, das Gericht habe ihm gegenüber die Schweigepflichtentbindung nicht nachgewiesen.
Über die Frage, ob der Arzt berechtigt und verpflichtet ist, den Umfang der Schweigepflichtentbindung selbst festzustellen bzw. zu hinterfragen, hatte es einen Streit mit dem hessischen Datenschutzbeauftragten gegeben. Dieser hatte in einem Rundschreiben an die Gesundheitsämter in Hessen die Auffassung vertreten, die Übermittlung von Patientendaten sei nur zulässig, wenn sich aus der Erklärung des Patienten eindeutig ergibt, zu welchem Umfang dieser den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat. Der Hinweis in den üblichen Anschreiben (Vordruck), in denen der behandelnde Arzt um Übersendung der Unterlagen gebeten wird, eine Entbindung der Schweigepflicht liege vor, sei nicht ausreichend.
Das Sozialgericht Frankfurt stellte klar, daß die Rechtsauffassung des Datenschutzbeauftragten jedenfalls nicht für den Umgang mit den Gerichten gelten kann. Nicht der Zeuge entscheidet über den Umfang seiner Zeugnispflicht und seine Berechtigung zur Zeugnisverweigerung, sondern allein das Gericht. Auf dessen Auskunft, die Schweigepflichtentbindung liege vor, könne sich der Arzt verlassen (Beschluß v. 24.9.1998, Az: S-4/SF-4798, abgedruckt in MedRecht 1999, Seite 577).
Abschließen ist darauf hinzuweisen, daß die o. g. Entscheidung nur für den Umgang mit Gerichten gilt. Privatrechtliche Institutionen, wie Lebens- und Krankenversicherungen, können für sich nicht in Anspruch nehmen, den Umfang der Schweigepflichtentbindung gegenüber dem Arzt verbindlich festzustellen. Hier muß der Arzt den Umfang der Schweigepflichtentbindung selbst prüfen und im Zweifel die Information verweigern. Für die Auskunftspflicht des Arztes oder Angehörigen eines anderen Heilberufes gegenüber den öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern (gesetzliche Krankenversicherungen, Berufsgenossenschaften, BfA, LVA etc.) gilt die Regelung des § 100 SGB X. Danach ist der Arzt oder Angehörige eines anderen Heilberufes zur Auskunft verpflichtet, soweit es für die Durchführung von dessen Aufgaben erforderlich und entweder (1.) gesetzlich zugelassen ist oder (2.) der Betroffene im Einzelfall schriftlich eingewilligt hat. Für die vertragsärztliche Versorgung ist der Informationsaustausch im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) und in den Bundesmantelverträgen geregelt.
*) Im Oktober-Journal 1998 erschien bereits ein Beitrag zum Spannungsverhältnis zwischen der Aussagepflicht des Arztes als Zeuge in einem Rechtsstreit und der ärztlichen Schweigepflicht. Darin wurde darauf hingewiesen, daß bei der Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht eine Verpflichtung des Arztes zur Zeugenaussage nur insoweit besteht, als die Entbindung durch den Patienten reicht. Quasi in Ergänzung zu diesem Beitrag wird hier folgend ein Beitrag des Justitiars der KV Berlin wiedergegeben, der insoweit auf eine klarstellende Entscheidung des Sozialgerichtes Frankfurt verweist.
(aus Journal der KVMV, Juni 2000, S. 8)
Assessor Thomas Schmidt
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