Medizinische Beratung

Die Medizinische Beratung der KVMV berät Ärzte leitliniengerecht zu medizinischen, pharma-kologischen, wissenschaftlichen und verordnungsrelevanten Themen der ärztlichen Tätigkeit. Im Mittelpunkt steht die Verordnung von Leistungen zulasten der GKV entsprechend der gesetzlichen Regelungen. Die Beratung der Verwaltung und des KV-Vorstandes, Gremienarbeit, Entwicklung von Arbeitshilfen und Öffentlichkeitsarbeit sind weitere Schwerpunkte der Abteilung.

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Masern-Impfschutz überprüfen

Von Dr. Martina Littmann*

In den letzten Wochen gab es in Europa und in einigen Bundesländern Deutschlands vermehrt Berichte über auftretende Masern-Infektionen. So wurden z. B. aus Berlin, Bayern, Hessen und Sachsen Masernfälle gemeldet. Insgesamt liegt die Meldezahl an Masern-Erkrankungen in Deutschland schon Mitte Februar 2024 bei aktuell 45 Fällen (2023 gesamt 80 Infektionen).

In Mecklenburg-Vorpommern (MV) wurde aufgrund einer hohen Bevölkerungsimmunität die letzte Masern-Infektion im Jahr 2018 registriert. MV gehört bundesweit zu den Bundesländern mit den höchsten Masern-Impfquoten. Diese müssen weiterhin aufrechterhalten werden, um einen wichtigen Beitrag bei der Erreichung des WHO -Zieles zur Ausrottung der Masern zu leisten. Um eine Ausbreitung von Masern bestmöglich einzudämmen bzw. zu verhindern, ist es wichtig, bei Verdacht differentialdiagnostisch auch an Masern zu denken und diesen labordiagnostisch abzuklären.

  • Denken Sie bei Symptomatik wie Fieber, Bindehautentzündung, Schnupfen, Husten und bräunlich-rosafarbenen Hautflecken (3-7 Tage nach Auftreten der ersten Symptome) immer auch an Masern.
  • Masern sind hochansteckend. Auch ein kurzer Kontakt oder ein Aufenthalt in einem Raum, in dem ein Patient mit Masern anwesend war, kann bei ungeschützten Kontaktpersonen eine Infektion nach sich ziehen. Schützen Sie sich, Ihre Mitarbeitenden und PatientInnen.
  • Führen Sie eine Labordiagnostik (Serologie UND PCR) durch, ggf. unter Einbeziehung des zuständigen kommunalen Gesundheitsamtes, in dem Masern-Testkits vorrätig sind.
  • Jeder Verdacht auf Masern ist meldepflichtig. Bitte melden Sie jeden Verdacht, auch wenn die Labordiagnostik noch nicht abgeschlossen ist.
  • Klären Sie, ob die Person kürzlich im Ausland war (importierter Fall) und ermitteln Sie zusammen mit dem Gesundheitsamt Kontaktpersonen, zum Beispiel in der Praxis.
  • Nicht immer treten die typischen klinischen Symptome auf. Wurde beispielsweise ein Kind bisher nur einmal gegen Masern geimpft oder ist eine Person immunsupprimiert, können die Symptome abgeschwächt auftreten.

Um einen sicheren Schutz vor Masern-Infektionen zu erzielen, sollen alle Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Geburtstag zweimal mit einem kombinierten Masern-, Mumps- und Röteln-(ggf. mit Varizellen-)(MMR(V)-) Impfstoff geimpft werden. Für die Grundimmunisierung werden zwei Impfstoffdosen im Alter von 11 und 15 Monaten verabreicht. Hierbei ist ein Mindestabstand von vier Wochen zwischen den beiden Impfstoffdosen einzuhalten. Fehlende Impfungen sind bis zum 18. Geburtstag nachzuholen.

Im Erwachsenenalter wird die Masern-Impfung als Standardimpfung mittels einmaliger MMR-Kombinationsimpfung für alle nach 1970 geborenen Personen mit unklarem Impfstatus, ohne Masern-Impfung oder mit nur einer Masern-Impfung in der Kindheit empfohlen.

Besonders wichtig ist ein vollständiger Impfschutz bei Kindern mit Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen. Seit März 2020 ist deshalb in Deutschland das Masernschutzgesetz in Kraft. Dieses beinhaltet eine Nachweispflicht einer Masern-Immunität durch Impfung bzw. im Einzelfall durch Nachweis von IgG-Antikörpern nach durchgemachter Infektion. Dadurch wird ein individueller Schutz für das geimpfte Kind erreicht und gleichzeitig werden Kinder und auch Erwachsene, die aus medizinischer Indikation nicht geimpft werden können, geschützt.

Diese Regelung einer zweimaligen MMR-Impfung gilt gemäß STIKO-Empfehlung für:

  • Kinder und Jugendliche in Gemeinschaftseinrichtungen (u.a. Kitas, Schulen, Tagesmutter)
  • Personen, die in diesen Einrichtungen arbeiten
  • Personen, die in bestimmten medizinischen Einrichtungen arbeiten
  • BewohnerInnen und Personal in Gemeinschaftseinrichtungen für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge

Ausgenommen davon sind Personen mit medizinischer Kontraindikation für eine Masern-Schutzimpfung sowie Personen, die vor 1970 geboren sind.

Der Nachweis kann durch eine vorliegende Impfdokumentation bzw. ein ärztliches Attest einer durchgemachten Masern-Infektion bzw. einer Kontraindikation erbracht werden.

Zusammenfassung aktuelle Masern-Impfempfehlungen

Verfügbare Masern-Kombinationsimpfstoffe

Kombination Handelsname Zulassung ab Anwendung bis
MMR Priorix (GSK)
MMRvaxPro (MSD)
9 Monate
(9-)12 Monate
Ohne Altersgrenze
Ohne Altersgrenze
MMR-V Priorix Tetra (GSK)
ProQuad (MSD)
(9-)11 Monate
(9-)12 Monate
Ohne Altersgrenze
Ohne Altersgrenze

 

Standardimpfung

Alle Säuglinge, Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr Für die Grundimmunisierung werden 2 Impfstoffdosen eines Kombinationsimpfstoffs (MMR) im Alter von 11 und 15 Monaten verabreicht. Hierbei ist ein Mindestabstand von 4 Wochen zwischen den beiden Impfstoffdosen einzuhalten
Nach 1970 geborene Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff

 

Indikationsimpfung

Bei bevorstehender Aufnahme bzw. bei Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung (z.B. Kita):

► Säuglinge ab dem Alter von ≥ 9 Monaten

Zweimalige Impfung mit einem MMR/V-Impfstoff


Sofern die Erstimpfung im Alter von 9-10 Monaten erfolgt, soll die 2. MMR/V-Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden.

Im Rahmen eines Ausbruchs:

 ► Nach 1970 geborene Personen ab dem Alter von ≥ 9 Monaten mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit

 

 

 ► ausnahmsweise 6-8 Monate alte Säuglinge nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung (Off-label-use)

Einmalige Impfung MMR(V)-Impfstoff

Ggf. Vervollständigung entsprechend den für die Altersgruppe geltenden Empfehlungen. Sofern die Erstimpfung im Alter von 9-10 Monaten erfolgt, soll die 2. MMR/V-Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres gegeben werden.


Bei Erstimpfung im Alter von 6-8 Monaten sollen eine 2. und 3. MMR/V-Impfung im Alter von 11-14 Monaten und 15-23 Monaten erfolgen.

 

Impfung bei beruflichem Expositionsrisiko

Nach 1970 geborene Personen (einschließlich Auszubildende, PraktikantInnen, Studierende und ehrenamtlich Tätige) in folgenden Tätigkeitsbereichen:

►Medizinische Einrichtungen (gemäß § 23 (3) Satz 1 IfSG) inklusive Einrichtungen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe

►Tätigkeiten mit Kontakt zu potenziell infektiösem Material

►Einrichtungen der Pflege (gemäß § 71 SGB XI)

►Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG)

►Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von AsylbewerberInnen, Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern

►Fach-, Berufs- und Hochschulen

Insgesamt 2-malige Impfung mit einem MMR-Impfstoff (bei gleichzeitiger Indikation zur Varizellen-Impfung ggf. MMRV-Kombinationsimpfstoff verwenden).

Die Anzahl der notwendigen Impfstoffdosen richtet sich nach der Komponente mit den wenigsten dokumen­tierten Impfungen.

Bei Frauen ist für jede der drei Impfstoff-komponenten (M-M-R) eine 2-malige Impfung erforderlich.

Bei Männern ist für die Masern- und Mumps-Impfstoff­komponente eine 2-malige Impfung erforderlich, zum Schutz gegen Röteln reicht eine 1-malige Impfung aus.

Es existieren keine Sicherheitsbedenken gegen weitere MMR-Impfung(en) bei bestehender Immunität gegen einzelne Komponenten.

 

Postexpositionelle Impfung

Personen mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit nach Kontakt zu Masernkranken:

 

 

► im Alter von 6-8 Monaten: ausnahmsweise nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung (Off-label-use)

 

► im Alter von 9-10 Monaten

 

 

 

► im Alter von 11 Monaten bis 17 Jahren

 

 

 

 

► im Alter von ≥ 18 Jahren, nach 1970 Geborene

Impfung mit einem MMR(V)-Impfstoff möglichst innerhalb von 3 Tagen nach Exposition; zur Anzahl der Impfstoffdosen und den Zeitpunkten der Verabreichung folgende altersspezifische Hinweise beachten:

 

1. Impfung;
Die 2. und 3. Impfung soll im Alter von
11-14 Monaten und 15-23 Monaten erfolgen

 

1. Impfung;
Die 2. Impfung soll zu Beginn des zweiten Lebensjahres erfolgen

 

Ungeimpfte bzw. Personen mit unklarem Impfstatus erhalten eine zweimalige Impfung im Abstand von > 4 Wochen;

bisher einmal Geimpfte erhalten eine Impfung

 

 

Ungeimpfte bzw. Personen mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit erhalten eine einmalige Impfung

Ungeschützte Personen mit hohem Komplikationsrisiko bei kontraindizierter aktiver Impfung nach Kontakt zu Masernkranken:

 

► Säuglinge im Alter von < 6 Monaten

► Empfängliche Schwangere

► Immundefiziente Patienten

Postexpositionelle Gabe von Standard-immunglobulinen (Off-label-use) so schnell wie möglich, möglichst innerhalb von 6 Tagen nach Exposition: 1 x 400mg/kg KG intravenös

Bei 6-8 Monate alten Säuglingen kann nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung statt der 1. aktiven Impfung eine passive Immunisierung mit Immunglobulinen erwogen werden, z. B. wenn der Kontakt länger als 3 Tage her ist.

Nach Immunglobulingabe ist die MMR-Impfung für 8 Monate nicht sicher wirksam. Dies sollte bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden.

 

*Dr. Martina Littmann ist Abteilungsleiterin Gesundheit des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGuS) M-V.